Taktvoll gemeinsam: Wenn Generationen voneinander lernen
Am Ende meiner ersten Lindy-Hop-Stunde wurde die Frage in die Runde gestellt: „Wer könnte bitte eine WhatsApp-Gruppe erstellen?“ Ich sah mich um – von Boomer bis Millennial waren alle Altersgruppen vertreten, ich mit 25 Jahren die Jüngste und einzige Vertreterin der GenZ. Halb aus meiner Freude, Initiative zu ergreifen und halb aus einem inneren Pflichtgefühl als vermeintliche „digital native“, hob ich die Hand.
Während viele schon ihre Telefonnummern bereit hielten, zückte ich mein Handy, öffnete WhatsApp und hielt ihnen einen QR-Code entgegen. Mit zwei Klicks waren alle beigetreten und ich erntete erstaunte Blicke und erleichtertes Schmunzeln für die sehr effiziente Art der Gruppen-Erstellung.
Ein kleiner Moment, aber ein schönes Beispiel dafür, wie generationsübergreifende Zusammenarbeit funktioniert: Jede Generation bringt ihre eigenen Stärken ein, und im Zusammenspiel entsteht etwas, das für alle wertvoll ist.
Reibung erwünscht
Was im Tanzsaal spielerisch sichtbar wurde, ist für Unternehmen entscheidend: Wenn Generationen zusammenarbeiten, entsteht ein Spannungsfeld aus Erfahrung und Innovation, aus Bewahren und Verändern. Genau darin liegt Zukunftsfähigkeit. Organisationen lernen, Bestehendes effizient fortzuführen und zugleich Neues mutig auszuprobieren. Davon profitieren nicht nur Teams, sondern auch Kund:innen, die sich von Gleichaltrigen oft besser verstanden fühlen. Altersgemischte Belegschaften schaffen dementsprechend Nähe zu einer vielfältigen Kundschaft.
Da die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation jedoch auch mit unterschiedlichen Werten und Prägungen verbunden ist, kann das erwähnte Spannungsfeld zunächst auch eine Herausforderung im Arbeitsalltag darstellen. Für die einen bedeutet Leistung, Pflichten zuverlässig zu erfüllen, für die anderen, achtsam mit den eigenen Grenzen umzugehen. Jüngere fordern Feedback aktiv ein, während ältere Kolleg:innen darin manchmal übertriebene Empfindlichkeit sehen. Die einen fühlen sich erst durch ein Telefonat ausreichend informiert, die anderen bevorzugen schnelle Chat-Nachrichten. Und wo Bestehendes auf Neues trifft, begegnet uns nicht selten das Argument: „Das haben wir doch schon immer so gemacht.“
Diese Reibung kann anstrengend sein, ist aber wertvoll. Sie zwingt dazu, nach den Hintergründen von Haltungen zu fragen, statt vorschnell zu bewerten. Gelingt dies, verwandeln sich Gegensätze in komplementäre Stärken – und genau daraus entsteht die Resilienz und Innovationskraft, die Organisationen brauchen.
Generationenmix braucht System
Damit der notwendige Dialog nicht dem Zufall überlassen bleibt, braucht es Strukturen und eine entsprechende Kultur. Klassisches Mentoring beispielsweise ermöglicht Erfahrungstransfer, während Reverse Mentoring jüngeren Stimmen Gehör verschafft. Shadow Boards – Gremien aus jüngeren Mitarbeitenden – beraten die Geschäftsleitung, in dem sie frischen Perspektiven für die Strategiearbeit beisteuern. Auch geteilte Führung, wenn erfahrene und jüngere Kräfte gemeinsam Verantwortung tragen, verbindet Stabilität mit Innovationskraft.
Entscheidend ist, Altersdiversität bewusst zu verankern: strategisch als Teil der Talentstrategie, strukturell über partizipative Formate und kulturell durch eine Haltung, die gegenseitiges Lernen fördert, statt in Stereotypen zu verharren.
Zurück zu meiner ersten Lindy-Hop-Tanzstunde. Ich habe gemerkt: Intergenerationale Zusammenarbeit ist wie ein Tanz. Erst wenn beide Partner:innen sich kennenlernen, die Schritte des anderen verstehen und sich aufeinander einschwingen, entsteht ein gemeinsamer Takt. Mal führt die eine Seite, mal die andere. Entscheidend ist, dass beide aufmerksam bleiben und zuhören. So entsteht aus der Unterschiedlichkeit eine Bewegung, die nicht nur Tanzpaare, sondern auch Organisationen nach vorne trägt.
Reflexionsfragen
- Wann habe ich das letzte Mal eine ältere/ jüngere Person um Rat gefragt?
- Welche Eigenschaften schreibe ich spontan anderen Generationen zu?
- Was wünsche ich mir mehr von den anderen Generationen?
- Was kann ich konkret von ihnen lernen?
- Wo bin ich gefordert, einen Schritt auf die andere Generation zuzugehen?
- Welche Formate zum Austausch der Generationen gibt es in meinem Team/ meiner Organisation? Welche fehlen noch?
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Über die Autorin
Ich bin Valerie (25), studiere Management, Organisation & Kultur (HSG) und arbeite als Praktikantin am BWI. Ich entwickle aktuell in Co-Kreation eine Workshop-Reihe zum Thema der Zusammenarbeit der Generationen und freue mich sehr, dieses Thema im BWI und für unsere Kund:innen weiter voranzutreiben.