Projektleitung - zwischen Prompt und Persönlichkeit

Künstliche Intelligenz erstellt innert Minuten strukturierte Entscheidungsgrundlagen, Varianten oder Argumentationshilfen. Alles Aufgaben, die früher sehr zeitaufwändig waren. Viele Projektleitende sind beeindruckt, zugleich aber auch verunsichert. Was bedeutet das für ihre Rolle? Der Artikel zeigt, wie KI die Projektarbeit sinnvoll ergänzen und warum menschliche Verantwortung, Urteilsvermögen und Führung weiterhin unverzichtbar bleiben.

von Pierre-Alain Michel

KI bringt Tempo – aber kein Gespür

KI ist schnell. Sie sortiert Informationen, bringt Struktur in Komplexität und zeigt Optionen auf. Doch sie spürt nicht, was unter der Oberfläche wirkt. Sie erkennt keine unausgesprochenen Spannungen, keine politischen Empfindlichkeiten, keine Erschöpfung im Team. Sie sieht keine Widerstände, die sich zwischen den Zeilen abzeichnen, und kennt keine verletzten Egos. All das aber entscheidet oft darüber, ob ein Projekt scheitert oder gelingt.

Hier beginnt die eigentliche Führungsarbeit: zuhören, klären, einordnen, vermitteln. Der Blick für Zwischentöne lässt sich nicht automatisieren.

KI bietet Optionen – aber sie übernimmt keine Verantwortung

Ja, KI kann Entscheidungsgrundlagen aufbereiten, Varianten durchspielen, Pro- und Contra-Listen formulieren. Aber Entscheidungen sind selten nur eine Frage der Logik. Sie betreffen Beziehungen, Prioritäten, Interessen und manchmal auch Macht.

Wer ein Projekt verantwortet, muss nicht nur wissen, was möglich, sondern auch, was tragbar ist. Was die Organisation aushält. Welche Entscheidung anschlussfähig ist. Und wer diese mitträgt und im entscheidenden Moment dafür einsteht. Verantwortung lässt sich nicht an Algorithmen delegieren. Sie bleibt den Menschen vorbehalten.

KI verstärkt Stärken – und legt Schwächen offen

Wird KI durchdacht eingesetzt, entfaltet sie ihr volles Potenzial. Wer präzise Fragen stellt, profitiert von klaren Antworten, und wer differenziert denkt, wird durch KI schneller, genauer und wirkungsvoller. Wer hingegen Aufgaben lediglich auslagert, ohne kritisch zu prüfen, bekommt am Ende ein Resultat, das zwar effizient, aber nicht unbedingt effektiv ist.

KI ist kein Autopilot, sondern ein Spiegel. Sie zeigt, wie strukturiert oder ungeordnet unser Denken ist.

KI schafft Ordnung – aber keine Akzeptanz

Die grösste Stärke von KI liegt in der Klarheit. KI strukturiert, vergleicht und sorgt für den Überblick. KI kann Vorschläge liefern, aber ob diese tragfähig sind, entscheidet sich im Dialog mit dem Projektteam und den Stakeholdern. Was auf dem Papier funktioniert, kann politisch chancenlos sein. Was logisch klingt, muss noch lange nicht anschlussfähig sein.

Projektleitende sind gefragt, diese Brücken zu bauen zwischen Analyse und Realität, zwischen Lösung und Umsetzung, zwischen Tempo und Tragfähigkeit.

Projektleitung bleibt zentral – und wird sichtbarer

„Was bleibt für uns, wenn KI so viel übernimmt?“ Die Antwort: alles, was anspruchsvoll ist. Projektleitende behalten die Verantwortung dort, wo es komplex, menschlich und unplanbar wird. Sie sind gefragt, wenn Spannungen entstehen, Entscheidungen nicht nur logisch, sondern auch tragfähig sein müssen und Orientierung fehlt.

Projektleitung bedeutet heute mehr denn je, Spannungen früh zu erkennen, Perspektiven zusammenzuführen, Optionen zu klären und Entscheidungen so vorzubereiten, dass sie tragfähig werden. Sie wird zur kuratierenden Instanz, die verbindet, ordnet und einbettet. Im Kern bleibt Projektleitung eine Führungsaufgabe mit diesen Elementen:

  • Kontext verstehen und differenziert einordnen
  • Erwartungen managen, sowohl nach innen als auch nach aussen
  • Spannungen erkennen und Konflikte lösen
  • Vertrauen schaffen
  • Entscheidungen ermöglichen und mittragen
  • Orientierung geben, wenn es unklar wird
  • Menschen führen, nicht Aufgaben verwalten

KI übernimmt das, was Zeit gekostet hat. Projektverantwortliche übernehmen das, was Projekte trägt und zum Erfolg führt.

KI ist ein Denkwerkzeug – wenn wir es richtig nutzen

Richtig eingesetzt, erweitert KI den Blick: Sie hilft, blinde Flecken zu erkennen, Denkmuster zu durchbrechen und neue Perspektiven zu entdecken. Wer mit Fragen wie „Was übersehe ich?“, „Welche Alternativen gibt es?“ oder „Welche unbequemen Fragen müsste ich mir stellen?“ arbeitet, wird nicht ersetzt, sondern gestärkt.

Es geht nicht darum, weniger zu denken, sondern die Gedanken zu schärfen.

Fazit: Verantwortung bleibt menschlich

KI kann uns entlasten aber nicht ersetzen. Sie hilft uns, schneller zu denken, strukturierter zu arbeiten und neue Impulse zu gewinnen. Doch wenn es um Vertrauen, Konflikte, Entscheidungen oder Unsicherheit geht, bleibt Projektleitung eine zutiefst menschliche Aufgabe.